Teilnahme am Wettbewerb »Kultur- und Bürgerhaus Rust«
Christian Speelmanns mit Robert Kahlow
Das Kultur- und Bürgerhaus in Rust
Dem neuen Kultur- und Bürgerhaus kommt eine wichtige Bedeutung in der Entwicklung Rusts als Erholungsort zu: Fernab des Europaparks wird es ein neuer Identitätsstifter und dient der Versammlung und Erholung für die Bürger Rusts. Als klarer, eleganter und unaufgeregter Baukörper bettet es sich mit seinem sanft geschwungenen Dach und einer dezenten Höhenentwicklung in den dörflichen Kontext ein und schafft so einen Ruhepol zum lauten Vergnügungspark. Transparenz und Offenheit bilden mit vielen Blickbeziehungen einen fließenden Raum in der Promenade von Bürgerpark, Rathausplatz und Kirchplatz. Als Pendant zum Rathaus fasst eine klare Kante den neuen zentralen Platz, gerahmt von Baumhainen. Eine Einbuchtung in der Platzfassade bildet die Adresse des neuen Hauses und markiert den Eingang.
Innenräume
Unter dem Schwung des Daches gliedern sich alle Funktionen des Hauses in klaren, massiven Körpern, umrahmt von einer gläsernen Hülle, die großzügige Blicke in die Umgebung zulässt. Das zentrale Foyer weitet sich fließend in Wandelgänge und Pausenflächen auf. Diese lassen sich für verschiedene Situationen flexibel zusammenschalten, abtrennen oder mit einer großzügigen Terrasse in den Park hinein erweitern. So lassen sich sogar drei verschiedene Veranstaltungen parallel durchführen.
Die beiden Säle bilden das Herzstück als geschützte Räume im Innern der Körper, lassen sich aber über große Türen zum Foyer und den Wandelgängen öffnen. Über eine elegante Wendeltreppe und einen Aufzug erreicht man die Empore des großen Saals. Auf der nördlichen Seite befinden sich in direkter Nähe zum großen Saal die Künstlergarderobe, die Cateringküche und die Anlieferung. Sämtliche Nebenräume und Technikflächen sind ebenso in die Körper integriert. Südlich gliedern sich die Mediathek und das Café an, die jeweils ihre eigenen Eingänge in der Glashülle haben. Auch diese lassen sich bei Bedarf über die Wandelgänge mit dem Veranstaltungsbereich zusammenschließen.
Konstruktion und Material
Die dezente Materialwahl unterstreicht die ruhige Form des Bürgerhauses: das Dach wird durchgängig mit Holzlamellen verkleidet und von Stützen und Trägern aus Brettschichtholz getragen, die weit in den Außenraum ragen. Das Holz verleiht dem Bürgerhaus dabei den angemessenen Charakter. Das Dach erhält eine extensive Begrünung, um den Park auch auf der „fünften Fassade“ weiterlaufen zu lassen.
Die Körper werden im Gebäudeinnern schlicht und weiß gehalten. Wo sie die Außenhülle durchstoßen, erhalten Sie eine Verkleidung aus gebürsteten Edelstahlplatten, in der sich die Umgebung leicht spiegelt. Die Veranstaltungssäle werden im Innern vollständig mit hellen Hölzern ausgekleidet. Die Glasfassade wird als schlanke Pfosten-Riegel-Konstruktion mit Zweifachverglasung ausgeführt. Klimatisch gesehen funktionieren die Wandelgänge als Klimapuffer bei extremen Temperaturen und verringern die aufzubringenden Kühl- und Heizlasten zu Spitzenzeiten. Das weit auskragende Dach spendet angenehmen Schatten an sonnigen Tagen, ergänzt von einem außenliegenden textilen Sonnenschutz.
Das Haupttragwerk im Inneren des Gebäudes wird durch Wandscheiben und Rahmen aus Stahlbeton gebildet, die das Gebäude in horizontaler Richtung aussteifen. Räume und Säle im Inneren des Gebäudes werden von Stahlbetondecken überspannt, die mit Unterzügen unterstützt werden. Die hölzerne Überdachung der Wandelgänge und der Foyerflächen schließt sich an die Betonkonstruktion als Dreigelenksrahmen an. Wände und Stützen werden unter Beachtung der zulässigen Bodenpressungen flach gegründet.
Wirtschaftlichkeit
Der Neubau bildet insgesamt ein kompaktes Volumen: durch den Verzicht auf Kellerräume, die Funktion der umgebenden Foyerflächen als Klimapufferzonen, einen außenliegenden Sonnenschutz, direkte Leitungsführung und pflegeleichte Materialien wird eine hohe Wirtschaftlichkeit erreicht.
Barrierefreies Bauen
Alle öffentlich zugänglichen Bereiche sind ebenerdig erreichbar. Nur die Empore und die Haustechnikflächen befinden sich im Obergeschoss. Erstere ist über eine eigenen kombinierten Personen- und Lastenaufzug angebunden. Auf kostenintensive Aufzugs- und Treppenanlagen kann somit größtenteils verzichtet werden.
Raumakustik
Der große Saal ist im raumakustischen Typus des „Schuhkartons“ konzipiert. Ähnlich dem Saal des Wiener Musikvereins hat dieser durch seine rechteckige Form, die Proportionen und das Volumen sehr gute akustische Eigenschaften. Das Raumvolumen weist die für Konzert- und Sprachnutzung notwendigen 5 bis 7 m³ pro Besucher auf. Die Bühne öffnet sich großflächig zum Zuschauerraum. Seine Wände und Decken reflektieren den Schall auch zur Publikumsmitte zurück. Der kleine Saal ist vom Volumen her wesentlich kleiner als der große und wird auch zu einer Nutzung ohne große Bühne verwendet. Zur Erzeugung einer Diffusität werden seine Wände deshalb geometrisch unterschiedlich geformt und erhalten eine Vertäfelung mit unterschiedlichen Absorberplatten.
Freianlagen
Die Andienung des Gebäudes erfolgt über die Walter-Schießle-Straße auf der Nordseite des Gebäudes, an der auch die Parkplätze angelegt werden. Diesen bietet ein lichtes Baumdach Schatten. Bäume und Heckenpakete schirmen die Parkplätze ab und geben der Parkmitte eine grüne Kontur. Das Bürgerhaus öffnet sich zum Park hin mit einer großzügigen Terrasse. Die Wiesenlichtung in der Parkmitte ist offen gestaltet und bietet Raum für freies Spiel, eine Wasserfläche und Aufenthalt.
Haustechnik- und Energiekonzept
Die Grundidee des Gesamtenergiekonzepts verfolgt im Einklang mit der Architektur konsequent die Vorgaben an ein funktionales Konzept, wirtschaftlichen Betrieb, langfristig geringe Folgekosten und geringe CO2-Emissionen. Diese Ziele werden durch den Einsatz innovativer baulicher und technischer Maßnahmen erreicht, die sich an der vielfältigen Nutzung der unterschiedlichen Nutzungsbereiche orientieren und höchstmögliche Flexibilität für die Nutzung gewährleisten.
Das Energiekonzept sieht die Grundversorgung über Fernwärme und Elektroenergie ergänzt um die folgenden Elemente vor:
• Generelle Nutzung von Wärmerückgewinnung für alle raumlufttechnischen Anlagen
• Thermische Solarenergienutzung für Gastronomie und Brauchwasser
• Baulicher passiver Wärmeschutz durch Sonnenschutz, Solarenergienutzung sowie optimierte transparente Flächen unterstützen das Konzept optimal.
Für die Belüftung in den beiden Sälen und der Mediathek sorgen jeweils zwei Lüftungsanlagen, damit bei kleinem Bedarf nicht immer die ganze Anlage befahren werden muss. Die Zuluftzufuhr in den Räumen erfolgt über eine impulsarme Quelluft in Personennähe. Dies sorgt für eine gute Luftqualität, vermeidet Zugluft und störende Lüftungsgeräusche. Durch eine Fußbodenheizung und die Einbindung der Speichermassen des Gebäudes in das Konzept wird für die vorliegende Nutzung ein sehr energiesparender Betrieb erreicht. Dies ermöglicht es, das System mit einer konstanten, geringen Vorlauftemperatur zu betreiben und regenerative Verfahren wie Sorptionskühlung, Erdwärme und Nutzung von Wärmepumpen einzubinden, was erheblich zur Senkung der CO2-Emissionen beiträgt.
Die Foyers umgeben die Säle als „Pufferzone“ und entkoppeln sie so thermisch von der Umgebung. Der winterliche Sonneneintrag sorgt für angenehme Temperaturen. Bei Bedarf können die Foyerflächen unterstützend mit wasserbetriebenen Deckenstrahlern beheizt werden. Die Nebenräume werden über die Lüftungsanlage mit versorgt. Künstlergarderoben, Lesesaal, Café, Foyerflächen und Wandelgänge erhalten ihre Frischluft über natürliche Fensterlüftung. Durch akustisch entkoppelte Anordnung der Technikflächen über den Funktionskernen in direkter Nähe zu den Versorgungsschwerpunkten werden insgesamt eine reduzierte Technikfläche und kurze Verteilungswege mit geringen Verlusten erreicht.
Fachberater
Franz Reschke, Landschaftsplanung
GMG, Gunnar Schönherr, Tragwerksplanung
Building Applications, Johannes Kasche, TGA-Planung
Mollakustik, Annika Moll, Raumakustik